Was genau ist der Vorteil eines Blastozystentransfers im Rahmen einer IVF oder ICSI? Bietet das spätere Einsetzen höhere Chancen für eine Einnistung und gibt es größere Risiken beispielsweise für eine Fehlgeburt? Beeinflusst der Blastozystentransfer das Geschlecht deines Babys?

In diesem Artikel möchte ich dir die Ergebnisse mehrerer Studien vorstellen, die den Blastozystentransfer mit dem Transfer nach 3 Tagen verglichen haben. Weiterhin gehe ich der Frage nach, ob ein Transfer mit Blastos Auswirkungen auf das Geschlecht hat.

Was ist ein Blastozystentransfer?

Bei einer künstlichen Befruchtung (IVF oder ICSI) wird nach einer Stimulation der Eierstöcke eine größere Anzahl von Eizellen punktiert und im Labor befruchtet.

Nach den Richtlinien des Embryonenschutzgesetzes können dann bis zu maximal 3 Embryonen in die Gebärmutter der Frau transferiert werden.

Dabei stellt sich die Frage, in welchem Entwicklungsstadium der Embryonen dieser Transfer stattfindet und es gibt hierzu unterschiedliche Ansätze.

Während viele Kinderwunsch Kliniken sich dazu entscheiden, die Embryonen nach 2 bis 3 Tagen zurückzusetzen (Embryonentransfer), wählen andere die Möglichkeit, die Embryonen bis zum fünften Tag nach der Befruchtung weiter im Brutschrank zu kultivieren und erst dann zu transferieren.

In diesem Fall spricht man von einem Blastozystentransfer, also der Übertragung der Embryonen an Tag 5 nach der Befruchtung.

Die Übertragung der Embryonen im Blastozystenstadium erfolgt damit ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, an dem sie bei einer natürlichen Empfängnis die Gebärmutter erreichen würden, um sich dort einzunisten.

Embryonalentwicklung

Wie sieht die Embryonalentwicklung genau aus? Und ab wann heisst die befruchtete Eizelle Blastozyste?

  • Nachdem das Spermium in die Eizelle eingedrungen oder bei einer ICSI injiziert wurde, zeigt sich bereits nach ca. 18 Stunden das sogenannte Pronukleus-Stadium. Unter dem Mikroskop kann der weibliche und der männliche Vorkern (Pronukleus) erkannt werden. Die befruchtete Eizelle heißt ab jetzt Zygote.
  • Etwa 30 Stunden nach der Befruchtung teil sich die Zygote zum allerersten Mal. Aus den zwei Zellen werden vier.
  • Dieser Vorgang wiederholt sich nun ca. alle 20 Stunden. Aus den 4 Zellen werden 8, dann 16 Zellen. Am 3. Tag nach der Befruchtung befindet sich die Zygote damit im Achtzellstadium.
  • Bereits nach dem vierten Tag hat die Zygote 16 bis 32 Zellen. Ab jetzt beginnt eine weitere Differenzierung, die Zellen beginnen miteinander zu verschmelzen und können nicht mehr komplett voneinander abgegrenzt werden. Von außen sieht die Zygote jetzt wie eine Brombeere aus, weshalb dieses Stadium auch als Beeren- oder Morula-Stadium bezeichnet wird.
  • Am 5. Tag der Embryonalentwicklung dringt Flüssigkeit in das Innere der kleinen Zellkugel ein und drückt die Zellen auseinander. Der Embryo heißt ab jetzt Blastozyste und besteht aus ca. 64 Zellen, die eine Hohlkugel mit zwei Zellschichten bilden: Dem inneren Embryoblasten, aus dem später dein Baby ensteht und dem außen liegenden Trophoblasten, der für die Entwicklung der Plazenta verantwortlich ist.

Der Embryo steht nun kurz vor seiner Einnistung!

So sieht eine Blastozyste aus:

Blastozystentransfer - Blastozyste an Tag 5 der Embryonalentwicklung

Blastozystentransfer – Blastozyste an Tag 5 der Embryonalentwicklung

Blastozystentransfer Erfahrungen

Welche Vorteile bietet der Blastozystentransfer, bei dem der Embryo erst am 5. Tag nach der Punktion in die Gebärmutter übertragen wird?

Die Auswertung zahlreicher Erfahrungen machen eine ganze Reihe von Chancen und Vorteilen sichtbar.

Auswahl von Embryonen möglich

Einem Embryo, der das Stadium der Blastozyste erreicht hat, kann eine gute Chance für eine erfolgreiche Einistung zugeschrieben werden.

Denn leider entwickeln sich maximal nur bis zu 40% der Embryonen zu einer Blastozyste.

Zudem kann die Entwicklung der Embryonen länger beobachtet und auch beurteilt werden, bevor sie in die Gebärmutter transferiert werden.

Bester Zeitpunkt für den Embryonentransfer

Im natürlichen Zyklus erreicht der Embryo an Tag 5 nach der Befruchtung die Gebärmutter.

Die Reproduktionsmedizin nutzt diesen Zeitpunkt, da davon ausgegangen wird, dass die Gebärmutterschleimhaut an diesem Tag am allerbesten für die Einnistung vorbereitet ist.

Geringere Eileiterschwangerschaftstrate

Als Vorteil des Blastozystentransfers wird manchmal auch angeführt, dass aufgrund der Größe der Blastozyste und der unmittelbar bevorstehenden Einnistung sich die Anzahl der Eileiterschwangerschaften minimiert.

Eine hierzu durchgeführte Studie, die 623 Schwangerschaften darauf untersucht hat, ob der Embryotransfer am 3. oder am 5 Tag nach der Punktion durchgeführt wurde, konnte tatsächlich weniger Eileiterschwangerschaften im Rahmen des Blastozystentransfers feststellen.

Allerdings war der Unterschied nicht signifikant: Nach Transfer am Tag 3 wurden 22 Eileiterschwangerschaften, nach Transfer am 5. Tag 13 Eileiterschwangerschaften festgestellt.

Gibt es Nachteile?

Eventuell kein Embryo für den Transfer übrig

Der größte Nachteil des Blastozystentransfers ist sicherlich, dass es sein kann, dass keiner der Embryonen die lange Zeit in der Kultur übersteht.

Je weniger Eizellen bei der Punktion gewonnen werden können, desto wahrscheinlicher ist diese für die Paare extrem frustrierende Situation.

Studien konnten aufzeigen, dass bei einer Eizellanzahl von weniger als 6 Eizellen nur ca. 42 bis 64% der Behandlungszyklen mit einem Embryotransfer abgeschlossen werden konnten.

Keine höhere Schwangerschaftsrate

Fraglich ist leider, ob ein Blastozystentransfer eine höhere Schwangerschaftsrate bringt.

Die Studienlage ist hier nicht einheitlich und hängt jeweils stark davon ab, welche Art der Studie (retrospektiv, prospektiv, kontrolliert) durchgeführt wurde.

Gerade in den prospektiven und kontrollierten Studien konnte keine signifikant höhere Implantations, Schwangerschafts- und Lebendgeburtenrate festgestellt werden.

Es bleibt also die Frage bestehen, ob der erhöhte Aufwand wirklich die Chance auf eine Einnistung verbessert.

Negative Auswirkung der längeren Embryonenkultur

Leider ist bis heute nicht klar, welche genauen Auswirkungen die Embryokultur auf den Embryo und seine Entwicklung hat.

Schadet es dem Embryo, dass er 5 Tage außerhalb der Gebärmutter in einer speziellen Flüssigkeit kultiviert wird?

Es gibt hier keine abschließende Antwort und leider auch keine Entwarnung.

Höhere Zwillingsrate nach Blastozystentransfer

Retrospektive Studien geben eine Zwillingsrate im Rahmen eines Blastozystentransfers an, die 4,3% höher ist als die Rate bei einem Transfer nach Tag 2 oder 3.

In Kombination mit einer ICSI steigt diese Zahl sogar auf mehr als 5% an.

Erhöhte Gefahr einer Überstimulation

Da für einen Blastozystentransfer eine höhere Anzahl an Eizellen notwendig ist, steigt damit auch die Chance durch die evtl. stärkere Hormontherapie eine Überstimulation zu bekommen.

Höheres Risiko für eine Fehlgeburt?

Ein Blick in die Studienlage macht deutlich, dass ein Blastozystentransfer nach 5 Tagen kein höheres Risiko für eine Fehlgeburt mit sich bringt.

Auch ein höheres Risiko für eine Frühgeburt oder ein niedrigeres Geburtsgewicht konnte nicht nachgewiesen werden.

Allerdings war die Anzahl von Fehlbildungen bei den Kindern nach Blastozystentransfer um 16% erhöht.

Eine aktuelle Studie aus Großbritannien konnte hierzu 11.152 Blastozystentransfers mit 55.995 Transfers an Tag 2 oder 3 nach Befruchtung verglichen.

Mehr Jungs & mehr eineiige Zwillinge

Eine Meta-Analyse aus Südkorea konnte 26 Studien zwischen 1995 und Mai 2017 zu diesem Thema auswerten.

Und das Ergebnis bestätigt tatsächlich die Beobachtung, dass nach einem Blastozystentransfer mehr Jungs und mehr eineiige Zwillinge geboren werden.

Die Auswertung zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit nach Blastozystentransfer einen Jungen zu bekommen um etwa 10% erhöht ist.

Die Wahrscheinlichkeit eineiige Zwillinge das Leben zu schenken ist sogar in etwa doppelt so hoch!

Die Ursachen hierfür werden leider nicht von der Studie erfasst und sind damit unklar.

Herzliche Grüße

Silke

Literatur zum Thema Blastozystentransfer

  • Raja EA, Bhattacharya S, Maheshwari A, McLernon DJ: A comparison of perinatal outcomes following fresh blastocyst or cleavage stage embryo transfer in singletons and twins and between singleton siblings. Hum Reprod Open. 2023 Mar 8;2023(2):hoad003. doi: 10.1093/hropen/hoad003.
  • Marconi, N., Raja, E. A., Bhattacharya, S., & Maheshwari, A.: erinatal outcomes in singleton live births after fresh blastocyst-stage embryo transfer: a retrospective analysis of 67 147 IVF/ICSI cycles. Human Reproduction, Volume 34, Issue 9, September 2019, Pages 1716–1725.
  • Jinli Ding et al.: The effect of blastocyst transfer on newborn sex ratio and monozygotic twinning rate: An updated systematic review and meta-analysis. Reproductive Biomedicine Online, 2018 Sep;37(3):292-303. doi: 10.1016/j.rbmo.2018.05.015. Epub 2018 Jun 22.
  • Chang HJ et al: Impact of blastocyst transfer on offspring sex ratio and the monozygotic twinning rate: a systematic review and meta-analysis. Fertil Steril. 2009 Jun;91(6):2381-90. doi: 10.1016/j.fertnstert.2008.03.066. Epub 2008 Aug 20.
  • Emiliani S.,Delbaere A., Vannin A-S, Biramane J., Verdoodt M., Englert Y., Devreker F.: Similar delivery rates in a selected group of patients, for day 2 and day 5 embryos both cultured in sequential medium: a randomized study Hum. Reprod. 2003 18: 2145-2150.
  • Blake D, Proctor M, Johnson N, Olive D.: Cleavage stage versus blastocyst stage embryo transfer in assisted conception. Cochrane Database Syst Rev 2002; 2: CD002118.
  • Coskun S, Hollanders J, Al-Hassan S, Al-Sufyan H, Al-Mayman H, Jaroudi K.: Day 5 versus day 3 embryo transfer: a controlled randomized trial.
    Hum Reprod 2000 Sep;15(9):1947-52.
  • Plachot M, Belaisch-Allart J, Mayenga JM, Chouraqui A, Serkine AM, Tesquier L.: Blastocyst stage transfer: the real benefits compared with early embryo transfer.
    Hum Reprod 2000 Dec;15 Suppl 6:24-30.
  • Milki AA, Hinckley MD, Fisch JD, Dasig D, Behr B.: Comparison of blastocyst transfer with day 3 embryo transfer in similar patient populations. Fertil Steril 2000 Jan;73(1):126-9.

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