Vor ein paar Tagen hat mir Steffi eine Mail geschickt und mir davon berichtet, wie frustriert sie seit ihrem letzten FA Termin ist. Denn ihr Frauenarzt meinte, dass ihr unerfüllter Kinderwunsch mit ihrem Übergewicht zusammenhängen würde und sie abnehmen müsste, um schwanger zu werden. Kann Übergewicht eine Schwangerschaft verhindern? In diesem Artikel erfährst du ob und wie ein zu hohes Körpergewicht die Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann und ob es bei Kinderwunsch Sinn macht erstmal abzunehmen.

Übergewicht und seine Folgen

Zunächst generell zu dem, was wir alle wissen: Übergewicht ist nicht gut für unseren Körper und unsere Gesundheit.

Besonders Übergewicht, das über einen längeren Zeitraum besteht, mindert oft die Lebensqualität und kann zu zahlreichen Krankheiten führen.

Ich denke beispielsweise an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Gelenkerkrankungen, aber auch Krebs. Dabei bestimmt der sogenannte Body Mass Index (BMI), ob jemand unter-, normal- oder übergewichtig ist.

Body Mass Index (BMI)

Der BMI ist leicht zu berechnen. Du nimmst dein Körpergewicht (in Kilogramm) und teilst es durch deine Größe (in Meter) zum Quadrat.

Ein BMI von über 25 gilt als übergewichtig, ab einem BMI von 30 spricht man von Adipositas.

Sicherlich ist der BMI nicht unumstritten, dennoch kann man sagen, dass ein steigender BMI sehr oft auch zunehmende Gesundheitsprobleme mit sich bringt. Und auch die Lebenserwartung nimmt mit zunehmendem Gewicht ab. Studien konnten zeigen, dass Personen mit einem BMI von 30-35 im Durchschnitt 2-4 Jahre früher sterben, ab einem BMI von 40 sinkt die Lebenserwartung sogar um bis zu zehn Jahre.

Man unterscheidet zwischen Normalgewicht, Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit).

Der Body Mass Index eines normalgewichtigen Erwachsenen liegt zwischen 18 und 25 kg/m². Alle Werte unterhalb werden als Untergewicht, Werte oberhalb als Übergewicht oder als Adipositas bezeichnet. Bei der Adipositas werden wiederum 3 Schweregrade unterschieden.

Damit zu weißt, wo genau die Grenzen liegen, habe ich dir eine BMI Übersicht nach den Vorgaben der Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) erstellt.

Bezeichnung BMI (kg/m²)
Untergewicht < 18,5
Normalgewicht 18,5 – 24,9
Übergewicht 25 – 29,9
Adipositas Grad 1 30 – 34,9
Adipositas Grad 2 35 – 39,9
Adipositas Grad 3 ≥ 40,

Kann Übergewicht eine Schwangerschaft verhindern?

Übergewicht (BMI über 25) reduziert die Fruchtbarkeit und das sowohl bei Frauen als auch bei Männern.

Ursache dafür sind die folgenreichen Veränderungen im Hormonhaushalt. Den das Fettgewebe von übergewichtigen Menschen ist nicht nur ein zu groß geratenes Energiedepot, vielmehr setzt es Hormone und Botenstoffe frei.

Das Fettgewebe agiert wie ein hormonell aktives Organ, besonders wenn es verstärkt im Bauchbereich angelagert ist. Dadurch entstehen Auswirkungen auf Organe wie die Bauchspeicheldrüse, die Leber, aber auch auf die Steuerzentrale der Sexualhormone und dem Zwischenhirn mit der Hirnanhangsdrüse. Eine Beeinflussung der Funktion der Eierstöcke und der Hoden ist damit nachvollziehbar.

Auswirkungen von Übergewicht auf die Fruchtbarkeit der Frau

Hier kommen die Details der Auswirkungen von Übergewicht in einer kurzen Zusammenschau.

Hoher Östrogenspiegel

Fettgewebe speichert Östrogen und wirkt zudem wie ein Hormon produzierendes Organ, indem es Androgene in Östrogen umwandelt.

Zusätzlich produzieren die Eierstöcke Östrogene während der Eireifung. Dieser Mechanismus führen dazu, dass übergewichtige Frauen oft einen  hohen Östrogenspiegel haben.

Dieser hohe Spiegel wirkt wie ein negatives Feedback im Gehirn und verhindert die Ausschüttung der Hormone GnRH, FSH und LH. Diese Hormone aber sind wesentlich für eine gute Eireifung und einen regelmäßigen Eisprung.

Hoher Insulinspiegel

Weiterhin wird bei Übergewicht meist vermehrt Insulin ausgeschüttet. Erhöhte Insulinspiegel regen die Eierstöcke wiederum zu einer übermäßigem Testosteronproduktion an. Die normale Entwicklung der Follikel wird negativ beeinflusst.

Möglicher Auslöser für das PCO-Syndrom

Übergewicht wird oftmals als Auslöser für das PCO-Syndrom angesehen. Bei PCO-Syndrom entstehen Zysten aus den Eifollikeln ohne dass ein Eisprung eintritt.

Erhöhtes Risiko für Fehlgeburten

Übergewicht führt zu einem größeren Risiko für Fehlgeburten in der Frühschwangerschaft und dies ganz unabhängig davon, ob die Schwangerschaft spontan oder im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung entstanden ist.

Gewichtsreduktion sinnvoll, um schwanger zu werden?

Bereits eine Gewichtsreduktion um 5-10 kg, verbessert die Chancen auf natürliche Weise schwanger zu werden. Maßnahmen hierfür sind

  • eine gesunde und vollwertige Ernährung
  • regelmäßige körperliche Aktivität

Schon eine Reduktion des Gewichts um 5-10 kg wirkt sich positiv auf die Chancen einer Schwangerschaft aus.

Nun weiß ich natürlich, dass eine Gewichtsreduktion für viele Frauen alles andere als einfach ist. Gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung liest sich leicht, die Umsetzung ist oft anstrengend und frustrierend.

Gewichtsreduktion vor IVF sinnvoll?

Etwas anders stellt sich die Lage bei Adipositas und einer geplanten IVF dar. So konnte eine Studie aus Dänemark, Schweden und Island zeigen, dass eine Gewichtsreduktion bei einer Adipositas Grad I, die vor Therapiebeginn erreicht werden konnte, nicht zu mehr Schwangerschaften führt. Vielmehr war die Schwangerschaftsrate der Frauen, die vor Behandlungsbeginn abnahmen ((-9,44 vs. +1,19 kg) nicht signifikant höher als bei adipösen Frauen, die kein Gewicht vor der IVF abgenommen hatten.

Allerdings: 10,5% der Frauen, die vor der geplanten IVF abgenommen hatten, wurden spontan und ohne IVF schwanger!

Nach der Auswertung der aktuellen Studienlage ist deshalb der Ratschlag, vor einer IVF erst einmal abzunehmen, sicherlich auf Basis der jeweils individuellen Situation und Diagnose zu hinterfragen.

Besonders Frauen, die bereits 35 Jahre und älter sind sollten aber sicherlich nicht zuviel Zeit verstreichen lassen. Auf der anderen Seite lohnt sich eine Gewichtsreduktion auf jeden Fall deshalb, weil dadurch die Chance spontan schwanger zu werden steigt.

Fazit: Abnehmen, um schwanger zu werden?

Ehrlich und direkt: Übergewichtige Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch sollten darüber nachdenken Gewicht zu reduzieren. Denn weniger Gewicht erhöht die Chancen auf natürlichem Wege schwanger zu werden auf signifikante Weise.

Zudem mindert es die Gefahr für eine ganze Reihe von Erkrankungen. Vor einer IVF abzunehmen hingegen erhöht nach aktuellen Studien nicht die Chance auf einen Therapieerfolg. Vor allem bei älteren Frauen mit zusätzlich fruchtbarkeitseinschränkenden Diagnosen ist es fragwürdig, zunächst relativ viel Zeit in die Gewichtsreduktion zu investieren und solange mit der IVF zu warten.

Alle Studien habe ich dir in einer Literaturliste zusammengestellt. Bei Fragen melde dich gerne bei mir.

Herzliche Grüße

Silke

Literatur zum Thema abnehmen, um schwanger zu werden

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  • Broughton DE, Moley KH, Obesity and female infertility: potential mediators of obesity’s impact, Fertil Steril. 2017 Apr;107(4):840-847. doi: 10.1016/j.fertnstert.2017.01.017. Epub 2017 Mar 11.
  • Friedler S, Cohen O, Liberty G, Saar-Ryss B, Meltzer S, Lazer T, Should high BMI be a reason for IVF treatment denial?, Gynecol Endocrinol. 2017 May 20:1-4. doi: 10.1080/09513590.2017.1327042.
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  • Kahn BE, Brannigan RE, Obesity and male infertility, Curr Opin Urol. 2017 Sep;27(5):441-445. doi: 10.1097/MOU.0000000000000417.
  • Rosety MÁ et. al., Exercise improved semen quality and reproductive hormone levels in sedentary obese adults, Nutr Hosp. 2017 Jun 5;34(3):603-607. doi: 10.20960/nh.549.

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