Abends beim Zubettgehen erzählt mir mein kleiner Sohn manchmal, was er heute alles erlebt und gelernt hat. Diese Zeit gehört für mich zu den kostbarsten Momenten am Tag, weil wir er mich ganz nah an dem teilhaben lässt, was seine kleine Seele berührt und beschäftigt.
„Body Change“ sagt er zu mir. „Wir haben heute Body Change gespielt und ich war Shrek.“
Ich muss mir das Lachen verkneifen. Ich hatte mit Superman gerechnet, aber Shrek? Dieser grünlich große Oger mit den Trompetenohren?
„Shrek ist ein Held“, erklärt mir mein Sohn mit bedeutungsvollem Blick. Und er ist unglaublich stark, hat eine Frau, ein Haus und später auch viele Kinder. Er ist glücklich und zufrieden mit seinem Leben.
Stark, schön, fruchtbar
Du hast bestimmt auch als Kind geträumt oder?
Davon fliegen zu können oder mit Tieren zu sprechen. Oder groß zu sein und stark oder hübsch. Mit magischen Kräften ausgestattet zu sein und viele spannende Abenteuer zu erleben.
Das Schöne an solchen Träumen ist, dass man alles zur Verfügung hat: Den perfekten Körper, die richtigen Lebensaufgabe und eine liebende Familie. Es fehlt nichts, um einfach nur glücklich zu sein.
Auch wir Erwachsene träumen gerne davon uns selbst zu optimieren. Und es geht dabei oft um Schönheit, Gesundheit oder Fruchtbarkeit.
Unser Körper soll möglichst fehlerfrei funktionieren und seine Aufgaben zuverlässig erfüllen.
Denn unser Plan vom Leben soll aufgehen und wir sind auch bereit uns dafür tatkräftig anzustrengen.
Kinderwunsch: Den Körper optimieren
Wenn sich der Kinderwunsch nach einer gewissen Zeit nicht erfüllt, beginnt die Suche nach möglichen Ursachen und Ansätzen, um die eigene Fruchtbarkeit zu verbessern.
Der Frauenarzt und Urologe wird aufgesucht und möglicherweise bestimmte Diagnosen erstellt.
Die eigene Fruchtbarkeit wird mit gesunder Ernährung, Zyklustees und homöopathischen Mitteln optimiert.
Der Zyklus wird getrackt und jegliches Körpersymptom genau unter die Lupe genommen.
Und es wird medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Denn die sich ständig erweiternden reproduktionsmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten stellen in Aussicht, die Fruchtbarkeitsprobleme schnell zu beheben und endlich Eltern zu werden.
Auch wenn es große Belastungen und soziale wie finanzielle Risiken mit sich bringt und nicht selten die Partnerschaft ruiniert.
Der Traum vom eigenen Kind
Ich sitze immer noch am Bett meines Sohnes, der mittlerweile eingeschlafen ist. Ich fahre ihm liebevoll durch seine Haare und denke daran wie mühsam und nervenaufreibend meine eigene Kinderwunschzeit war.
Ich erinnere mich an meine Suche, Mittel und Wege zu finden, damit es endlich mit dem Schwanger werden klappt. Und an die vielen Tränen, wenn ich mal wieder einen negativen Schwangerschaftstest in den Händen halten musste.
Und ich muss schmunzeln. Die Geschichte von Shrek lässt mich neu über das Thema Kinderwunsch und Körperlichkeit nachdenken.
Mir fällt ein, dass Shrek selbst mit seinem Körper hadert und es einen langen Weg braucht, bis er sich so annehmen kann wie er ist.
Auch jede Frau mit Kinderwunsch muss ihren ganz individuellen Weg finden.
Wichtig dabei ist, dass es dir und deinem Partner damit gut geht und ihr aufkommende Störgefühle ernst nehmt.
Kennt dein Kinderwunsch auch Grenzen?
Denn so plausibel und nachvollziehbar viele Maßnahmen sind, so wichtig ist es aber auch anzuerkennen, dass jede Selbstoptimierung mit Grenzen ausgestattet sein sollte.
Denn unsere Fruchtbarkeit ist nur beschränkt beeinflussbar und die Reproduktionsmedizin kann leider nicht immer helfen, so sehr uns die Werbung für gewisse Produkte und Behandlungsansätze das auch nahe legen will.
Deshalb geht es meiner Meinung nach darum aufmerksam die eigenen Möglichkeiten zu erkunden und sich über Hilfen und Behandlungsansätze umfassend zu informieren.
Auch ein Ausprobieren macht Sinn, solange dies mit deinem Lebensstil und deinen Werten vereinbar ist.
Aber es sollte auch über die eigenen Grenzen nachgedacht und gesprochen werden.
Denn dein seelisches Gleichgewicht, deine körperliche Gesundheit und die Beziehung zu deinem Partner sind genauso wichtig und sollten dem Wunsch nach einem Baby nicht kompromisslos untergeordnet werden.
Gratwanderung Kinderwunsch
Ich weiß um diese Gratwanderung und wie unendlich schwer das im Alltag sein kann.
Doch es steht einfach viel auf dem Spiel. Neben der Erfüllung des Kinderwunsches geht es nämlich auch um deine Lust am Leben, eine funktionierende und glückliche Partnerschaft und all die anderen Pläne für dein Leben.
Der Kinderwunsch ist sicherlich ein Teil davon und gleichzeitig doch nur ein einzelner Mosaikstein.
Bitte vergiss das nicht!
Versuche dem Kinderwunsch seinen Platz in deinem Leben zuzuweisen.
Einen wichtigen und festen Platz in der ersten Reihe.
Definitiv nicht weiter hinten, aber auch nicht immer und ständig auf dem ersten Platz.
Bitte prüfe sorgfältig, ob dein Kinderwunsch auch Grenzen hat.
Ob du das Leben genießen kannst und auch andere Themen weiterhin ihren Platz haben.
Wenn du dich immer mehr auf das Schwanger werden fokussierst und ständig in Gedanken damit beschäftigt bist, was du vielleicht noch besser machen kannst, dann ist es vielleicht Zeit einzuhalten und zu überprüfen, was gerade mit dir passiert.
Hast du das Gefühl noch im seelischen und körperlichen Gleichgewicht zu sein?
Wie sehr belastet dich, dass dir dein Körper aktuell einen Strich durch deine Lebenspläne macht und dein Kinderwunsch sich bisher nicht erfüllt hat?
Nimm dir einen Stift und ein Blatt Papier und schreibe bitte auf, was dir in den Sinn kommt.
Was kannst du konkret tun, um wieder mehr Lebensqualität für dich zu schaffen?
Teile deine Gedanken mit mir, wenn du magst!
Herzliche Grüße
Silke
Weiterlesen:
Hallo Silke,
ich lese deinen Blog schon seit einiger Zeit und als ich eben diesen Artikel gelesen habe, musste ich mir direkt ein paar Tränchen verkneifen. Du beschreibst mit deinem Artikel haargenau meine momentane Gefühlslage.
Mein Mann und ich versuchen seit August 2018 ein Kind zu bekommen. Leider hat es bis heute noch nicht geklappt. Nächsten Monat werde ich 33 Jahre alt und ich bin momentan in einer sehr komisch schwebenden Lage. Seit Juni 2019 sind wir in der Kinderwunschklinik in Behandlung und haben zwei erfolglose künstliche Befruchtungen hinter uns. Wobei bei uns keine wirklichen körperlichen Indikatoren vorliegen, die gegen eine Schwangerschaft sprechen. Ich habe regelmäßig einen Eisprung, die Eizellqualität ist hervorragend, vier Blastozyten konnten bei den künstlichen Befruchtungen eingesetzt werden. Leider habe ich immer direkt nach dem Transfer Schmierblutungen gehabt. Die Ärzte beschreiben dies ja mit Implantationsversagen, aber woher das kommt kann uns keiner sagen. Die Spermien meines Mannes sind mal besser und mal schlechter aber nie bedenklich. Genetik, Hormonhaushalt, Gebärmutterschleimhaut, etc… alles wurde untersucht und außer erhöhte Killerzellen liegt uns kein Befund vor.
Seit diesem Zyklus nehme ich Ovaria Comp und Bryophyllum … mein letzter Versuch mir irgendwie selbst zu helfen. Wobei ich alles andere schon durch habe.
Mittlerweile bin ich an dem Punkt, an dem der Selbsthass zu meinem Körper so groß ist, dass ich mich wirklich frage, ob mein seelisches und körperliches Gleichgewicht überhaupt noch ausreichend vorhanden ist? Lebe ich überhaupt noch ein reales Leben in Partnerschaft, Familie und Freunde?
An dem Punkt den Kinderwunsch aufzugeben sind wir noch nicht. Aber ich bin an einem Punkt, an dem ich den Marathon gerne hinter mir lassen würde und mal wieder ein Leben zu haben!
Ganz liebe Grüße
Ina
Liebe Ina,
Schön von Dir zu lesen! :-)
Spontan will ich Dir sagen: Ja, dann bitte los, jetzt sofort! Nimm Dir ein Blatt Papier und schreibe auf, was Du super gerne machen möchtest, um Dich wieder mehr mit dem Leben verbunden zu fühlen. Was tut Dir gut, was bringt Dir Freude, was willst Du vielleicht schon lange machen und hast es immer wieder innerlich weggeschoben? Warte nicht, nimm Deine Wünsche und Bedürfnisse ernst.
Überlege vielleicht auch, was Euch als Paar gut tut und was Ihr konkret planen könnt und dann macht es auch wirklich.
Ich kann Dich super gut verstehen. Mir ging es genauso und irgendwann konnte ich einfach nicht mehr. Mein Blick und auch mein Leben wurden immer „enger“ und ich in meinem Kampf mit mir selbst und meinem Körper immer einsamer.
Stoppe das bitte aktiv! Im Nachgang denke ich, dass dies wirklich eine aktive Entscheidung ist, so nicht mehr weitermachen zu wollen und sich einzugestehen, dass man massiv leidet.
Vielleicht magst Du überlegen, wie Du mit Deinem Körper wieder besser in den Kontakt kommen kannst. Ich kenne das Gefühl, dass der eigene Körper einen im Stich lässt und einfach nicht tut, was er tun soll. Gleichzeitig ist dieser Körper aber ein Teil von Dir selbst und es wäre so unendlich wertvoll, wenn Ihr „beide“ Frieden miteinander machen könntet. Meine Fragen: Wie spürst Du Dich körperlich und kannst Du sehen, dass Dein Körper die letzten Monate (auch wenn die Schwangerschaft ausgeblieben ist) doch sehr viel getan hat, um Dich Deinem Wunsch von einem Kind näherzubringen? Er hat bei den künstlichen Befruchtungen mitgespielt, brav Eizellen produziert, es ist nicht alles schlecht und schon gar nicht aussichtslos!
Vielleicht zum Schluss noch ein Wort zur idiopathischen Sterilität: Das Gute (!) an Eurer Situation ist, dass sie objektiv gesehen viel mehr Optionen bietet als Du das im Moment sehen kannst. Ihr probiert es 1,5 Jahre und ja, die künstlichen Befruchtungen waren bisher negativ. Das muss aber nicht bedeuten, dass das so bleibt und Ihr nicht doch spontan schwanger werdet. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern es gibt Studien dazu, die aus meiner Sicht Mut machen.
Kennst du meine Artikel zur idiopathischen Sterilität? Hier ist eine zum Thema Hoffnung und hier eine zur Frage, ob eine IVF immer die beste Lösung ist.
So, das war jetzt lang! Ich will Dir sagen, dass Eurer Weg nicht vorbei ist und es definitiv Chancen gibt. Wichtig dabei ist aber, dass Du auf diesem Weg nicht verloren gehst. Sorge für Dich!
Herzliche Grüße
Silke