Bringt eine künstliche Befruchtung Spätfolgen mit sich? Und wie sieht es vor allem mit dem Krebsrisiko aus? Erhöht sich das individuelle Krebsrisiko durch die Behandlung und Hormonstimulation? Wenn du dich mit dem Thema künstliche Befruchtung beschäftigst oder vielleicht selbst gerade mitten in einer Behandlung steckst, dann beschäftigen dich diese Fragen vielleicht auch.
Heute möchte ich über 2 Studien berichten, die der Frage nach dem Krebsrisiko nach einer IVF nachgegangen sind. Zudem habe ich bereits vor einiger Zeit von einer Studie aus Schweden hier berichtet. Wenn du magst, schau dir auch diese die Ergebnisse an.
Künstliche Befruchtung: Risiken
Die erste Studie kommst aus Israel und hat sich der Frage gewidmet, wie das Krebsrisiko von Frauen aussieht, die sich einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) unterzogen haben und dabei bereits 40 Jahre oder älter waren.
Hintergrund dieser Untersuchung war die Feststellung, dass der aktuelle Wissensstand über das Krebsrisiko bei Frauen nach IVF hauptsächlich auf Untersuchungen basiert, die Frauen im deutlich jüngeren Alter untersucht haben.
Das Ziel dieser Studie war es deshalb, das Krebsrisiko von IVF-Patientinnen, die im Alter von 40 Jahren und älter behandelt und über einen längeren Zeitraum danach beobachtet wurden, zu untersuchen.
Lesetipp:
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- Künstliche Befruchtung & Altersgrenze: BGH Urteil & Studie zur IVF über 40!
Studie aus Israel
Die Studie aus Israel hat insgesamt 501 Frauen, die mit 40 Jahren und älter eine IVF Therapie durchlaufen haben, über mehr als 16 Jahre lang beobachtet und untersucht. Du findest den Link zur Studie unten in der Literaturliste.
Das Ergebnis:
Es konnte kein signifikant höheres Krebsrisiko während der Langzeitbeobachtung festgestellt werden:
- Das mittlere Alter der Frauen lag beim ersten IVF-Zyklus bei 42,3 Jahre
- Die durchschnittliche Anzahl der IVF-Zyklen betrug 3,2
- 36 von den 501 Frauen (7,2%) entwickelten Krebs, im Vergleich zu 47,2 erwarteten Fällen
- Bei 22 Frauen wurde Brustkrebs diagnostiziert, im Vergleich zu 19,84 erwarteten Fällen.
Wie immer sind weitere Studien erforderlich, um dieses Ergebnis zu bestätigen.
Trotzdem geht es dir vielleicht so wie mir: Ich war erstmal über dieses Ergebnis erleichtert, auch wenn das Schicksal jeder erkrankten Frau dadurch nicht weniger schlimm oder weniger wichtig ist.
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Spätfolgen künstliche Befruchtung Frau
Bei einer weiteren Studie aus England haben 255.786 Frauen teilgenommen.
Neben der deutlich größere Gruppe wurde bei dieser Studie auch keiner spezifischen Altersbegrenzung gefolgt.
Vielmehr wurden die Daten aller Frauen, die sich einer assistierten Reproduktion zwischen 1991 und 2010 unterzogen hatten, von der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) in England, Wales und Schottland eingeholt.
Ziel der Studie war es herauszufinden, ob bei diesen Frauen ein erhöhtes Risiko für Brust-, Eierstock- und Endometriumkarzinome nachgewiesen werden kann.
Studie aus England
Die Studie aus England konnten folgende Ergebnisse präsentieren:
Es konnte kein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome nachgewiesen werden.
Insgesamt erkrankten in der Gruppe 164 Frauen an einem Endometriumkarzinom, die standardisierte Inzidenzrate lag bei 146.9 Fällen (164 cancers observed v 146.9 cancers expected; SIR 1.12, 95% confidence interval 0.95 to 1.30).
Die standardisierte Inzidenzrate gibt die Häufigkeit eines Ereignisses (hier der Erkrankung an einem Endometriumkarzinom) einer betrachteten Gruppe von Personen in Bezug auf die Gesamtbevölkerung an.
Weiterhin konnten die Wissenschaftler auch kein signifikant erhöhtes Risiko für Mammakarzinome generell (2578 v 2641.2; SIR 0.98, 0.94 to 1.01) und auch nicht für invasive Mammakarzinome finden (2272 v 2371.4; SIR 0.96, 0.92 to 1.00).
Lediglich das Risiko für ein Karzinom in situ der Brust war geringfügig erhöht (291 v 253.5; SIR 1.15, 1.02 to 1.29; absolute excess risk (AER) 1.7 cases per 100 000 person years, 95% confidence interval 0.2 to 3.2).
Schließlich wurde das Risiko für Ovarialkarzinome untersucht und hierbei ein erhöhtes Risiko festgestellt (405 v 291.82; SIR 1.39, 1.26 to 1.53; AER 5.0 cases per 100 000 person years, 3.3 to 6.9).
Allerdings muss hierbei erwähnt werden, dass bei den betroffenen Frauen auch andere Risikofaktoren wie beispielsweise das Vorliegen von PCOS oder andere individuelle Eigenschaften eine Rolle spielen.
So fand die Studie beispielsweise kein erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs bei den Frauen, die „nur“ aufgrund der eingeschränkten Fruchtbarkeit ihres Partners behandelt wurden.
Die Studie konnte kein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome und Mammakarzinome finden. Lediglich das Risiko für in situ Karzinome der Mamma war marginal erhöht. Es konnte ein erhöhtes Risiko für Ovarialkarzinome nachgewiesen werden, jedoch nur bei Frauen, die weitere Risikofaktoren für diese Krebsart aufwiesen.
Fazit: Künstliche Befruchtung & die Spätfolgen
Die Ergebnisse bestätigen die bisherige Studienlage: Eine künstliche Befruchtung scheint das onkologische Risiko für bestimmte Krebsarten nicht oder nur marginal zu erhöhen.
Die Wissenschaftler raten jedoch zu weiteren Untersuchungen, um weitere Erkenntnisse zu erhalten.
Insgesamt also ein eher beruhigendes Ergebnis. Ich werde weiter laufend über neue Studien berichten und dich auf dem Laufenden halten.
Herzliche Grüße
Silke
Literatur zum Thema künstliche Befruchtung & Spätfolgen
Wissenschaftliche Monografien
- Diedrich, K. (2020). Assistierte Reproduktion: Langzeitfolgen und Entwicklungsperspektiven. Springer-Verlag.
- Rösken-Nöhres, A. (2018). Medizinische und psychosoziale Aspekte der künstlichen Befruchtung. Kohlhammer Verlag.
- vi Tsafrir et al.: Cancer in IVF patients treated at age 40 and older: long term follow up. Reproductive Biomedicine Online, im Druck. DOI: https://doi.org/10.1016/j.rbmo.2019.11.015.
Wissenschaftliche Zeitschriftenartikel
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Ethische und Rechtliche Perspektiven
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Online-Ressourcen
- Deutsches IVF-Register (DIR): Jahresberichte und wissenschaftliche Publikationen
- European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE): Forschungsberichte
Weiterlesen
- Vitamin D & Kinderwunsch: Wirkung, Dosierung, Präparate
- Künstliche Befruchtung, Kosten und Altersgrenze
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Danke für den Artikel!
Ich habe über einen Zeitraum von sechs Jahren mit drei Inseminationen und sechs IVFs versucht, schwanger zu werden. Beim letzten Versuch wurde ich schwanger, verlor das Baby aber in der siebten Woche. Der zweite eingesetzte Embryo nistete sich im Eileiter ein – in einer OP wurden eine Ausschabung und eine Entfernung der Eileiterschwangerschaft vorgenommen. Das Ergebnis der routinemäßigen Histologie: Endometriumkarzinom. Zehn Tage später war ich meine Gebärmutter, meine Eierstöcke und meinen Kinderwunsch los. Statt dessen hatte ich Selbstvorwürfe erhalten und die quälende Frage, ob ich selber Schuld an meiner Krebserkrankung war…? Hatten die vielen Hormone, die ich all die Jahre geschluckt, gespritzt und vaginal in meinen Körper geschoben hatte, dafür gesorgt, dass mein Körper mit 37 Jahren gegen einen Krebs kämpfen musste, den Frauen in der Regel erst mit etwa 60 bekommen? Dieser Artikel hat mich nun endlich etwas beruhigt 🙏🏻